Die Lüge in der Kommunalpolitik: Von Kompromissen, Kaffee und Kuchen

Was die Kommunalpolitik betrifft, bin ich lange nicht müde geworden zu betonen, dass hier, im Kleinen, die Demokratie lebendig ist. Leute streiten im Ehrenamt redlich und offen darum, was für das kleine Fleckchen Erde, auf dem sie leben, das Beste ist. Und im Streit gehts um die Sache und danach gibts Kompromisse, Kaffee und Kuchen.

Ich hätte die Zeichen deuten sollen. Das hätte meinen Optimismus etwas gedämpft. Zwar hilft gegen gedämpften Optimismus gute Musik – aber erstmal kräftig Wasser in den Wein:

Die Zeichen kamen aus einem kleinen Dorf hier in Westmecklenburg. Bestimmte Konstellationen hatten dazu geführt, das alte Mehrheiten zerbröselt waren und im Streit um die Entwicklung des Dorfs das Internet zum Ort der Debatte wurde. Zwei Lager warfen sich auf ihren Homepages gegenseitig schlimme Sachen vor, einiges davon wahr, vieles ausgedacht, bis zur Unkenntlichkeit zugespitzt oder schlicht gelogen und bald wurden immer öfter die Gerichte bemüht, um zu klären, wer denn nun Recht hat. In den Gemeindevertretersitzungen war der Ton rau, die Gewählten schienen mehr darauf bedacht, den nächsten Angriff vorzubereiten, oder abzuwehren, als vernünftig zu diskutieren.

Das Prinzip hinter dem ganzen Dilemma kennen wir aus unserer Kindheit: Torsten geht zu Dirks Mutter und sagt, der Dirk, der hat die Katze am Schwanz gezogen. Stimmt zwar nicht, wirkt aber. Dirk hat jetzt Stress. Mutti beginnt ein pädagogisches Gespräch und das kann dauern. Und auch wenn Dirk am Ende deutlich machen kann, dass er die Katze keineswegs ungebührlich behandelt hat, bleibt doch bei Mutti ein Erinnerungsfetzen zurück. Und wenn nicht bei Mutti, so doch bei allen, denen Torsten es noch erzählt hat. Und wenn es für Dirk ganz dicke kommt, steht Torsten kurz danach schon wieder vor der Haustür und hat sich etwas Neues ausgedacht. Kost ja nix. Aufwand für Torsten: zwei Minuten.

Ich denke, das Bild ist klar. Wer eine Lüge in die Welt setzt, ist im Vorteil. Ausdenken geht schnell – aus der Welt schaffen dauert. Und genau das macht das Prinzip Lüge für politische Akteure, denen nichts an der eigenen Integrität liegt, so attraktiv. Einfach mal irgendeinen Unfug raushauen, das hält den Gegner beschäftigt. Dumm nur: wenn auch nur eine Partei, Wählergruppe oder -gemeinschaft im Dorf ein Torsten ist, kriegen auch die ehrlichen Dirks keinen Fuß mehr auf den Boden.

Ich hielt die Umtriebe in dem kleinen Dorf der zwei unversöhnlichen Parteien für eine Ausnahmeerscheinung. Die Konstellation der Leute, die Vorgeschichte – das alles war doch so speziell, dass ich mir sicher war, mich nicht an so etwas gewöhnen zu müssen. Dann kam ein zweites Dorf hinzu, auch da, zwei Lager, Lug und Trug und Intrige. Dann eine Kleinstadt. Dann noch ein Dorf. Einige Kreistage sind meiner Beobachtung nach auf gutem Weg dahin. Und mittlerweile bin ich fast sicher: auch in der Kommunalpolitik wird die Lüge zum gängigen Instrument der Auseinandersetzung werden. Und da können versöhnliche Leute noch so viele Faktenchecks anbieten – die Wirkung bleibt fatal.

Je mehr sich nämlich die Debatte von Fakten und der gemeinsamen Suche nach Lösungen entfernt, desto unwahrscheinlicher werden Kompromisse. Und ohne Kompromiss auch kein Kaffee und Kuchen.

Was tun? Den Politikern das Internet wegnehmen? Vergleichende Werbung auf Social Media verbieten? Oder eine Regel einführen, nach der Kommunalpolitiker vor jedem Posting einen gemeinnützigen Arbeitseinsatz gemeinsam mit den Konkurrenten absolvieren müssen? Zugegeben, ich bin ratlos.

Deshalb hole mir jetzt erstmal eine Portion Optimismus zurück, wie angekündigt. Bob? Das ist Dein Job. Der Leitspruch des Tages sei:

„You can fool some people sometimes – but you can´t fool all the people all the time“.

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