Hintergrund: Wir holen die Jungs nochmal zusammen

Gottes eigene Bar war eine Kneipe in der Oderberger Straße, Prenzlauer Berg, Berlin 1999. Wie alle Kneipen dort etwas dunkel, Holzstühle, Holztische, Kerze drauf, stilsicher ranzig – ein perfekter Ort, um die Nacht am frühen Morgen zu beenden.

Nichts hatte diese Bar mit uns zu tun und ich kann nur vermuten, dass meine persönliche Beziehung zu dieser Kneipe dazu führte, dass wir uns benannten nach Gottes eigener Bar und schließlich auftraten als Gottes eigene Band. Um diese Verbindung klar zu machen, bauten wir uns zum Bandfoto auf vor dem Schaufenster.

Vom Marketing her gedacht ein absoluter Unfug für eine gänzlich unbekannte wie unreligiöse Musikformation – der Name, das Bild… Kriegt keiner zusammen. Und Gottes eigene Band: klingt nach Christenrock aus einer Jungen Gemeinde in einem Stadtteil von Oberursel.

Wir strickten eine Legende um unser Kennenlernen in dieser Bar und entwarfen eine Bühnenshow, die dem Zuschauer eine – aus einem Film entnommene – Situation vorführte: Eine Band bricht ein beim Frühstücksfernsehen, bringt die Sendung unter ihre Kontrolle und spielt die eigenen Songs. Wir haben das Ganze im Grunde nur einmal aufgeführt, beim Release-Konzert unserer CD – die anderen Auftritte waren klassische Mucken – ein paar Lieder vor wenigen Leuten.

Wir haben zu Ausstellungseröffnungen gespielt, in einem komplett leeren Club in Greifswald, in Cottbus hinter einem Zaungitter, wie man es aus Country-Bars kennt, in Kneipen, in die wir kaum passten und beim letzten Konzert war Dota im Publikum.

Wie genau wir uns zum ersten Mal getroffen hatten, wissen vielleicht die anderen noch – ich kann mich nur daran erinnern, dass es mit einer Anzeige in einer Anzeigenzeitung, bei der ich arbeitete, zu tun hatte. Wir waren: drei Studenten mit unterschiedlichem Eifer, ein Sozialpädagoge und ein Spezialist für Entwicklungshilfe.

Unsere CD nahmen wir in einem Studio auf, das zu einem sozialpädagogischen Projekt gehörte. Gedacht für junge Leute aus dem Kiez, die mal in akzeptabler Qualität mit nach Hause nehmen wollten, was sie sonst so in finsteren Kellern daher musizierten. Letzteres passte, wir waren nur nicht die Zielgruppe. Klappte trotzdem. Analog – drei Tage. Sehr lehrreich.

Auseinander gegangen sind wir, weil die Lebenswege in verschiedene Städte führten. Ich bin nach Schwerin gezogen, unser Akkordeonist nach Tunis. Die anderen drei blieben in Berlin – „Schlussverkauf“ hieß unser letztes Lied.

Ich schreibe das alles sehr nüchtern, obwohl meine Erinnerungen mit dem Abstand von 20 Jahren absolut rosarot sind. Ich sehe Freundschaft und Rock´n Roll und Probenraumromantik. Ich bin verliebt, in das, was wir waren. Das Nüchterne ist Selbstzensur. Weil mir diese Rückblicksliteratur mittelalter Menschen echt auf die Ketten geht. Hab ich selbst ganz lange mit Freude in die Welt gesetzt. Geht immer. Früher, früher, früher… 30-jährige arbeiten sich an ihrer Kindheit ab, 40-jährige an ihrer Jugend, 50-jährige an ihrem Aufstieg und irgendwie ist immer alles aufregend gewesen und wahnsinnig intensiv und wenn popkulturelle Phänomene zur Sprache kommen, sagen alle „Ach!“ und „Oh“ und verleiern die Augen.

Wer so anfängt, hat ein „aber“ in der Hinterhand und hier ist das aber: Aber einmal musste ich noch. Rückblickslyrik schreiben. Verklären. Die rosarote Folie hängen vor einen fetten Scheinwerfer, der die Szene erhellt. Meine Damen und Herren: „Wir holen die Jungs nochmal zusammen“

12 thoughts on “Hintergrund: Wir holen die Jungs nochmal zusammen

  1. Andreas says:

    „Wir holen die Jungs nochmal zusammen“
    Was für ein passender Titel. Hat ja geklappt, zumindest mit dem aba und dem Herrn sandmann. 😉

    Liebe Grüße aus dem äußersten Südwesten der Republik
    Andreas

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  2. Znuk says:

    na dann, gut Glück… Werde mir die Lieder gerne mal anhören…. Und falls das Kommentar 1 oder 100 ist,,,, 😉

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  3. Flopp says:

    Schön mal wieder die bekannten Stimmen zu hören. Mit dem Geocaching habe ich tatsächlich auch schon lange nichts mehr zu tun…

    Grüße aus Freiburg
    Flopp/Florian

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  4. Markus says:

    Als ich beim guten Teufel letztens das Wort „Dosenfischer“ gelesen habe konnte ich es kaum glauben. Zuerst traute ich meinen Augen kaum..aber dann kam schon die alt bekannte und unverwechselbare „Titelmelodie“ – Eure Stimmen wieder zu hören ! Danke! Mensch das waren tolle Zeiten! Jede Woche fieberte ich auf eine neue Ausgabe (ja auf dem Weg zur Arbeit habt ihr mich immer begleitet) und dauerte es oft ne Woche bis ich euch durchgehört hatte! Die vielen vielen Stunden! Schön von euch zu hören! Hoffe ja immer noch auf ein Comeback 🙂
    Passt auf euch auf und lasst ab und zu wieder was euch hören!

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  5. Lutz Schreiber says:

    Das ist aber nicht ganz korrekt. Bei dem Konzert in Greifswald waren mein Mitbewohner und ich anwesend. Auch der Physikprofessor Dr. Thomas Klinger war im Publikum.
    Mehr waren es aber vermutlich wirklich nicht.
    Immerhin finde ich nach Jahren des Suchens endlich ein Lebenszeichen von euch. Ich dachte schon, es war Einbildung, die Internetseite ist ja nicht mehr auffindbar. Gäbe es nicht die Lieder in meiner Sammlung…
    Und ehrlich, „Bei meinen Leuten im Norden“ wird noch häufig gespielt.

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    1. thom says:

      Das ist ja unglaublich! Da ist tatsächlich jemand, der sich erinnert! Ich bin…. baff. Danke für die guten Worte! Dann muss ich ja vielleicht doch noch die Live-Platte hochladen… Grüße!

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