Zu wenig nachgedacht, auf Teufel komm raus schnell gesendet, Vorurteile reproduziert, Klischees bedient – im unpassendsten Kontext. Was für ein Mist. Menschen mit Behinderung werden umgebracht und die Kollegen beim rbb und anderen Medien scheitern unschön.
Aber das soll hier gar nicht der Punkt sein. Ich will hier gar nicht auf den RBB schimpfen, obwohl die Aktion echt ein dicker Hund ist. Mir gehts mehr um die Vorgeschichte solcher Fehler in der Berichterstattung und die steckt ja in unseren Köpfen.
Es ist nämlich wirklich so dämlich wie wahr, auch ich kenne das gut, dass Menschen so hart arbeiten müssen, um die eigenen Prägungen zu korrigieren: In meiner Welt als Kind zum Beispiel gab es kaum Menschen mit Behinderung. Und wenn es sie gab, dann in irgendeinem Abseits – in Wohnheimen, in Werkstätten, begleitet von Betreuern, oder eben medial dargestellt in dieser „guck-mal-was-der-kann-obwohl“-Attitüde. Den ganzen Ballast muss man erstmal loswerden. Hab auch ich noch nicht geschafft, fürchte ich.
Ein Anfang könnte sein, mal was anderes zu lesen: Deshalb hier drei kleine Empfehlungen zum Weiterdenken: Die Neue Norm – das Magazin für Disability Mainstreaming, das Internetprojekt leidmedien.de und der Aktivist Raul Krauthausen.
Journalistische Beiträge rund um das Thema Behinderung misslingen noch oft. gerade in den Regionalteilen der Zeitungen und Radiosender, aber auch darüber hinaus. Denn Journalisten neigen dazu zu glauben, sie erzählen schon dann eine gute Geschichte, wenn sie einen Helden in den Mittelpunkt stellen, der es trotz äußerer Widerstände geschafft hat. Und wenn diese Widerstände körperliche oder psychische Behinderungen sind, dann handelt die Geschichte in der Regel von einer tapferen Person, die sich durchgebissen und etwas erreicht hat. Obwohl sie doch behindert ist. Die Behinderung wird zum entscheidenden Merkmal, zum Spin der Story – der Beitrag zu einem gönnerhaften Kopfstreicheln.
Dabei könnte man sich als nicht-behinderter Journalist ja auch darauf konzentrieren, die gesellschaftlichen Zu- und Widerstände zu benennen, die Menschen mit Behinderung das Leben schwer machen. Oder: denjenigen auf den Geist gehen, die diese Zustände ändern könnten, es aber nicht tun… So richtig gut aber wäre: zurücktreten und andere berichten lassen. Spezialisten, die nahe dran sind.
Die gibts beim Magazin „Die neue Norm“. Ich könnte es nicht besser sagen, deshalb hier ein Zitat aus der Selbstauskunft:
Die Neue Norm ist ein Online-Magazin, das verschiedene Fragen und gesellschaftspolitische Mechanismen behandeln und infrage stellen möchte. Besonders wollen wir das Thema Behinderung in einen neuen Kontext setzen; raus aus der Charity- und Wohlfahrtsecke, rein in den Mainstream, in die Mitte der Gesellschaft.
Die Neue Norm: Podcast und Magazin – Newsletter und Social Media
Während Die Neue Norm selbst für Journalismus steht, ist Leidmedien eher ein Projekt, das einerseits Journalisten dabei unterstützt, zum Thema Behinderung zu arbeiten, andererseits Journalisten mit Behinderung vorstellt.
Ja aber… was kann denn an Berichten rund um das Thema Behinderung so schwer sein? Naja… die eigenen Vorurteile im Kopf sind das Problem. Einen immer wiederkehrenden Lapsus kennt Ihr sicher, die Sache mit dem Rollstuhl – an den sind Rollifahrer in der Zeitung recht oft, im Leben aber nur im Fall eines Verbrechens „gefesselt“ – ansonsten gibt er ihnen Freiheit. Aber auch die begriffliche Unterscheidung von Krankheit und Behinderung ist so ein Ding – Krankheiten sollen in der Regel geheilt werden, es sind unerwünschte Zustände… für einen behinderten Menschen ist die Behinderung aber ein selbstverständlicher Teil seines Leben – das mit einer Krankheit gleichzusetzen, wertet ab, ist unangemessen, übergriffig. Nur mal so… kleine Beispiele.
Mit Leidmedien.de wollen wir Medienschaffende und Redaktionen Informationen geben, um Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderungen abzubauen und Begegnungen zwischen nicht behinderten und behinderten Menschen zu schaffen. Wir betreiben Medienkritik, tauschen uns mit betroffenen Expert*innen aus und zeigen Formulierungsalternativen und Perspektivwechsel in der Berichterstattung auf.
Gehört in jedem Fall in die journalistische Linkliste – und ist auch für Leute, die was anderes machen, extrem lehrreich: leidmedien.de
Unter vielen guten Projekten, so auch den beiden, findet sich, neben anderen, der Name eines Mannes, den muss ich wohl nicht extra vorstellen: Raul Krauthausen. Auch hier: die unbedingte Empfehlung, etwa für seinen Twitter-Account..
Und, Ihr erinnert Euch an die Karte mit Informationen darüber, wie barrierefrei öffentliche Orte sind? Die kommt aus der Krauthausen-Ecke.
Solltet Ihr noch ähnliche Projekte oder Initiativen im Hinterkopf haben – die Kommentarsektion ist offen.
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